Ali Agirdas wurde am 24. Februar 2007 in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad festgenommen. Der Türke verstand nur bruchstückhaft, was ihm zur Last gelegt wurde, denn er sprach kaum Arabisch, hatte weder einen Übersetzer noch einen Rechtsanwalt. Angeblich soll der 28-Jährige Drogen geschmuggelt haben.
Irgendwann unterschrieb Agirdas ein arabisches Dokument, das ihm der Verhörbeamte vorlegte. Angeblich würde ihm das helfen. Stattdessen lieferte es ihn ans Messer: Das Schriftstück war ein angebliches Geständnis, auf dessen Grundlage er ein Jahr später zum Tode verurteilt wurde.
Am 19. August 2014 durfte der Häftling zum letzten Mal mit seiner Familie telefonieren. Offenbar ahnte Agirdas da noch nicht, dass er am nächsten Tag hingerichtet werden würde. Die Familie erfuhr durch eine knappe Meldung der saudi-arabischen Nachrichtenagentur von seinem Tod.
Seither haben seine Angehörigen die Behörden vergeblich darum gebeten, dass man ihnen den Leichnam übergibt, um ihn in der Heimat zu bestatten. Sie wissen noch nicht einmal, wo seine sterblichen Überreste aufbewahrt werden.
Ali Agirdas ist einer von 175 Menschen, die zwischen August 2014 und Juni 2015 in Saudi-Arabien hingerichtet worden sind. Laut einem aktuellen Bericht von Amnesty International ist sein Fall exemplarisch für die Justiz in dem Königreich: Die Prozesse missachten sämtliche internationalen Standards. Fast die Hälfte der Opfer sind Ausländer, die oftmals gar nicht verstehen, was ihnen vorgeworfen wird. Mehr als 40 Prozent der seit 2014 Hingerichteten wurden wegen Drogendelikten verurteilt.
Auch "Hexerei" wird mit dem Tode bestraft
Nach Zählung von Amnesty wurden seit 1985 insgesamt mindestens 2200 Menschen in Saudi-Arabien hingerichtet. Seit August vergangenen Jahres hat die Zahl der Exekutionen aber deutlich zugenommen, unter dem im Januar inthronisierten König Salman hat sich dieser Trend beschleunigt. Im Mai suchte das Regime per Stellenanzeige nach acht neuen Henkern.
Entgegen aller internationalen Konventionen exekutiert der wichtigste Verbündete des Westens im Nahen Osten auch Personen, die noch minderjährig waren, als sie ihre Taten begingen. Zudem wurden mehrfach Menschen hingerichtet, die offensichtlich geistig behindert waren.
Laut Amnesty vollzieht Saudi-Arabien zudem die Todesstrafe gegen Männer und Frauen, die sich angeblich vom Islam abgewendet hätten oder die außerehelichen Sex hatten. Auch "Hexerei" wird in der Golfdiktatur mit dem Tode bestraft.
Die meisten Hinrichtungen werden in der Öffentlichkeit vollzogen. Henker enthaupten die Verurteilten oder Erschießungskommando feuern auf die Opfer. In einigen Fällen werden zudem die Leichen der Getöteten zur Abschreckung an öffentlichen Plätzen aufgehängt - ganz ähnlich macht es die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) im Irak und in Syrien.
source : Spiegel
Donnerstag
27 August 2015
03:11:31
707830
Saudi-Arabiens Henker richten im Schnitt an jedem zweiten Tag einen Menschen hin. Die meisten von ihnen werden enthauptet. Laut Amnesty sind zahlreiche Opfer minderjährig oder geistig behindert.