Die deutsche Öffentlichkeit debattiert über die Kundus-Affäre, über gefallene Bundeswehrsoldaten und über die Frage, ob der Einsatz am Hindukusch nun als Krieg bezeichnet werden kann - oder nicht. Was der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr aber den Steuerzahler kostet, ist kaum Thema. Eine aktuelle Studie möchte das ändern.
Tilman Brück und Olaf de Groot vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beziffern die Kosten darin mit jährlich drei Milliarden Euro - das ist dreimal mehr als die Schätzung des Verteidigungsministeriums. Es geht von einem Betrag von etwa einer Milliarde Euro im Jahr aus.
Die Differenz erklären die Forscher im Gespräch mit dem Manager Magazin damit, dass sie nicht nur den Verteidigungshaushalt betrachten. Sie berücksichtigen die auf Afghanistan bezogenen Kosten anderer Ministerien ebenso wie langfristige Kosten durch gefallene und verwundete Soldaten. Auch die Zinskosten für die Finanzierung des Einsatzes werden berücksichtigt.
Allein diese "Nebenkosten" beziffern sie mit 10,4 Milliarden Euro - in einem, wie sie es nennen, "optimistischen Kernszenario". Das beinhaltet die Annahme, dass die deutsche Truppenstärke von derzeit 5350 Mann nicht erhöht wird und die Bundeswehr 2013 mit dem Abzug beginnen kann.
In allen Zweifelsfällen haben sich die Wissenschaftler für die niedrigere Zahl entschieden, erläutern sie im Interview. Trotzdem kommen sie für den Einsatz insgesamt auf Kosten von 36 Milliarden Euro - im besten Fall.
Kosten wie der deutsche Beitrag zu den Verwaltungskosten der Nato sind im Modell der DIW-Forscher nicht enthalten, da sie sich die Frage gestellt haben, welche Ausgaben dadurch entstehen, dass sich Deutschland am Afghanistan-Einsatz beteiligt. Die Nato-Beiträge, so ihre Logik, wären auch fällig, wenn die Bundeswehr nicht mitkämpfen würde.
Einen gefallen Bundeswehrsoldaten beziffern de Groot und Brück mit Kosten von 2,3 Millionen Euro - und finden eine solche Berechnung gar nicht zynisch. "Im Gegenteil - es wäre zynisch, solch eine Berechnung zu unterlassen", sagt Brück, der als Professor für Entwicklungsökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin lehrt, dem Manager Magazin. "Nur wenn die Kosten eines Krieges offengelegt werden, kann eine aufgeklärte Debatte darüber entstehen, ob der politische Nutzen des Krieges den hohen Preis rechtfertigt.
In den USA sind solche Kostenberechnungen für Kriegseinsätze bereits seit längerem üblich. Begründet hat sie der US-Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, der in einer ähnlichen Studie für den zweiten Irakkrieg den Preis eines gefallenen US-Soldaten mit 7,2 Millionen Dollar angegeben hat.
"Weder wir noch Stiglitz haben uns diese Zahlen ausgedacht", sagt de Groot im Interview. Der große Unterschied der Beträge reflektiere die Tatsache, dass US-Gerichte für ein Menschenleben höhere Entschädigungszahlen festsetzen als europäische Gerichte.
Jeder Euro, der in Afghanistan ausgegeben werde, fehle Deutschland an anderer Stelle. Mit ihrer Studie wollen die beiden Wissenschaftler eine Kosten-Nutzen-Debatte über den Afghanistan-Einsatz anstoßen.(SZ)