AhlolBayt News Agency (ABNA)

source : Junge Welt
Mittwoch

16 Juni 2010

19:30:00
182231

Nordamerika

Pro-Israel-Lobby unter Druck: General Petraeus wertet Nahostkonflikt als Gefahr für Washingtons Interessen

Am vergangenen Dienstag erschien General David Petraeus, der Kommandeur der US-Truppen im Nahen und Mittleren Osten, vor dem Streitkräfte-Ausschuß des Senats in Washington. Dabei sprach er auch über den Israel-Palästina-Konflikt.

 David Petraeus ist der bekannteste Offizier der US-Armee. Der Vier-Sterne-General, Sohn eines holländischen Kapitäns, der nach Amerika ging, als sein Land von den Nazis überrannt wurde, fiel schon in seiner frühen Kindheit auf. In West Point war er ein »glänzender Kadett«, im Armeekommando und im Generalsstabskolleg war er die Nummer eins; als Kommandeur einer Kampftruppe bekam er Applaus. Er schrieb seine Doktorarbeit (über die Lehren Vietnams) in Princeton und lehrte als Assistenzprofessor für internationale Beziehungen in der US-Militärakademie. Im Irak machte er sich einen Namen, als er die US-Armee in Mossul, der problematischsten Stadt im Lande, kommandierte. Er beschloß, um die Feinde der USA zu bezwingen, muß man die Herzen der Zivilbevölkerung gewinnen, lokale Verbündete erwerben, und mehr Geld als Munition verbrauchen. Die Einheimischen nannten ihn König David. Sein Erfolg wurde als so hervorragend angesehen, daß seine Methode als offizielle Doktrin der amerikanischen Armee angenommen wurde.Petraeus machte schnell Karriere. Er wurde Chef der »Koalitionskräfte im Irak«, und bald wurde er Oberkommandierender des Zentralkommandos der US-Armee, das den ganzen Nahen Osten einschließt – außer Israel und Palästina, die zum US-Kommando Europa »gehören«.Wenn solch eine Person ihre Stimme erhebt, hören die Amerikaner zu. Als geachteter Militärdenker hat er keinen Rivalen. Petraeus übermittelte in der vergangenen Woche eine unmißverständliche Botschaft: Nach genauer Überprüfung der Probleme in seinem »Verantwortungsgebiet« (Area of Responsibility – AOR), das u. a. Afghanistan, Pakistan, Iran, Irak und Jemen einschließt, wandte er sich an das, was er »Wurzeln der Instabilität« in der Region nannte. An der Spitze der Liste stand der israelisch-palästinensische Konflikt. In seinem Bericht für den Streitkräfteausschuß erklärte Petraeus: »Die anhaltenden Feindseligkeiten zwischen Israel und einigen seiner Nachbarn stellen besondere Herausforderungen an unsere Fähigkeit, unsere Interessen in den AOR voranzubringen. Der Konflikt schürt antiamerikanische Gefühle auf Grund der Wahrnehmung, daß die USA Israel bevorzugt unterstützen. Arabischer Zorn über die palästinensische Frage beeinträchtigt die Stärke der US-Partnerschaft mit Regierungen und Völkern in der AOR und schwächt die Legitimität der moderaten Regime in der arabischen Welt. Mittlerweile nützen Al-Kaida und andere militante Gruppen diesen Zorn aus, um Unterstützung zu mobilisieren.Da Petraeus damit noch nicht zufrieden war, sandte er seine Offiziere, um seine Schlußfolgerungen den Generalstabschefs darzulegen. Mit anderen Worten: Der israelisch-palästinensische Frieden ist keine private Angelegenheit von zwei Parteien, sondern im großen nationalen Interesse der USA. Das bedeutet, daß die USA ihre einseitige Unterstützung für die israelische Regierung aufgeben und die Zwei-Staaten-Lösung aufzwingen müsse.Die Netanjahu-Regierung ging sofort in Verteidigungsstellung. Seine Sprecher erklärten, daß Petraeus eine enge militärische Perspektive habe, daß er politische Angelegenheiten nicht verstünde, daß seine Argumentation fehlerhaft sei. Aber es ist nicht das, was die Menschen in Beitolmoghaddas in kalten Schweiß ausbrechen läßt.Wie wohl bekannt ist, beherrscht die Pro-Israel-Lobby die politische Szene der USA grenzenlos – beinahe. Jeder amerikanische Politiker und ranghohe Beamter hat zutiefst Angst vor ihr. Die geringfügigste Abweichung von der strengen AIPAC-Linie kommt politischem Selbstmord gleich.Aber in der Rüstung dieses politischen Goliath gibt es einen Riß. Wie die Achillesferse hat die immense Macht der Pro-Israel-Lobby eine verwundbare Stelle. Das wurde bei der Affäre um Jonathan Pollard deutlich. Dieser amerikanisch-jüdische Angestellte eines sensiblen Nachrichtendienstes spionierte für Israel. Die Israelis betrachten ihn als Nationalhelden, als einen Juden, der für sein Volk seine Pflicht getan hat. Aber für die US-Nachrichtendienste ist er ein Verräter, der das Leben vieler amerikanischer Agenten gefährdete. Er bekam keine Routinestrafe. Das Gericht verurteilte ihn 1987 zu lebenslängliche Haft. Seitdem haben alle US-Präsidenten die Bitten aller israelischer Regierungen zurückgewiesen, die Strafe abzumildern. Kein Präsident wagt in dieser Sache, sich mit seinen Geheimdienstchefs anzulegen.Aber die bedeutendste Seite dieser Affäre erinnert an die berühmten Worte von Sherlock Holmes über die Hunde, die nicht bellten. AIPAC bellte nicht. Die ganze amerikanisch-jüdische Gemeinde schwieg. Fast keiner hat sich für den armen Pollard eingesetzt. Warum? Weil die meisten amerikanischen Juden bereit sind, alles – einfach alles – für die Regierung in Israel zu machen. Mit einer Ausnahme: Sie werden nichts tun, das so aussieht, als ob sie die Sicherheit der USA schädigen. Wenn die Flagge der Sicherheit gehißt wird, stehen die Juden wie alle Amerikaner stramm und salutieren. Das Damoklesschwert des Verdachtes von Illoyalität schwebt dann über ihren Köpfen. Für sie ist es der schlimmste Alptraum: Angeklagt zu werden, weil ihnen die Sicherheit Israels wichtiger ist als die der USA. Deshalb ist es für sie wichtig, unaufhörlich das Mantra zu wiederholen, daß für sie die Interessen Israels und die der USA identisch sind.Und nun kommt der wichtigste General der US-Armee und sagt, daß es nicht so sei. Die Politik der gegenwärtigen israelischen Regierung gefährde das Leben der US-Soldaten im Irak und Afghanistan. Bis jetzt ist dies nur eine Nebenbemerkung, die noch keine große Verbreitung gefunden hat. Aber das Schwert ist aus seiner Scheide gezogen worden.(junge Welt) dokumentiert in Auszügen die aktuelle Kolumne des israelischen Friedensaktivisten und Publizisten Uri Avnery »Die Waffe des Jüngsten Tages«