Das deutsche Kontingent wird damit um fast 20 Prozent auf 5350 Soldaten vergrößert. Kostenpunkt für die deutschen Steuerzahler in den kommenden zwölf Monaten: 1,1Milliarden Euro. Insgesamt stimmten 429 Abgeordnete für das neue Kriegsmandat, 111 votierten dagegen, 46 enthielten sich. Die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP stimmten bei drei Nein-Stimmen und drei Enthaltungen fast geschlossen zu, von der SPD kamen 113 Ja- und 16 Nein-Stimmen sowie acht Enthaltungen. Mit Nein stimmte rund ein Drittel der Grünen, 35 enthielten sich, acht Grüne votierten für das Mandat. Die Linksfraktion stimmte geschlossen dagegen.
Damit wird das Truppenkontingent der Bundeswehr am Hindukusch von bislang 4500 Soldaten um insgesamt bis zu 850 Mann aufgestockt. Auch wenn die SPD dies vor der Abstimmung und während der Debatte immer wieder behauptet hatte: Ein Abzugsdatum nennt die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geführte Regierung nicht. Das neue Mandat sieht lediglich vor, ab 2011 die Bundeswehreinheiten in Afghanistan wieder zu reduzieren.
Während der Debatte erinnerte die Linksfraktion an die Kriegstoten von Kundus. Nach der bewegenden Rede von Christine Buchholz erhoben sich die Linke-Parlamentarier von ihren Plätzen und hielten überdimensionale Todesanzeigen mit Namen und Alter der Opfer des verheerenden Luftangriffs im vergangenen Herbst hoch. Bei der Attacke am 4. September 2009 waren auf Befehl des deutschen Obersten Georg Klein bis zu 142 Afghanen »vernichtet« worden. Von den Abgeordneten der kriegsbejahenden Parteien und von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wurde das stille Gedenken als »Eklat« und »Verstoß gegen die Geschäftsordnung« gewertet. Die gesamte Linksfraktion wurde von der Sitzung ausgeschlossen– ein bislang einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bundestages. Die Linken-Politiker räumten nach mehrmaliger Aufforderung den Plenarsaal. Die einzige Fraktion, die den Krieg ablehnt, blieb bei der weiteren Debatte außen vor. Die Parlamentarier wurden lediglich zur Abgabe ihrer Stimme wieder erlaubt.
Linksfraktionsvize Jan van Aken rechtfertigte die symbolträchtige Aktion: »Krieg ist nichts Abstraktes, sondern bedeutet tagtägliches Sterben. Hinter jedem Toten steht ein Schicksal, ein Gesicht, ein Name. Alle Abgeordneten, die heute dem Krieg zugestimmt haben, müssen wissen: Sie haben heute über Leben und Tod abgestimmt.« Die designierte Linke-Vorsitzende Gesine Lötzsch erklärte, die Fraktion habe deutlich machen wollen, daß das Afghanistan-Mandat »für uns keine Routineabstimmung« ist. Und: »Wir lehnen den Krieg in Afghanistan ab. Die Bundeswehr muß noch in diesem Jahr zurückgezogen werden.« Das Parlament müsse »für ein würdiges Gedenken an die Kriegsopfer« sorgen, forderte Lötzsch. Der Einsatz der Bundeswehr bekämpfe nicht den Terrorismus, sondern verlängert die Leiden. »Die Linke wird sich auch durch den vom Bundestagspräsidenten verfügten Sitzungsausschluß nicht in ihrer Haltung beirren lassen.«Nicht alle in der Fraktion agierten bei der Antikriegsaktion »mit Arsch in der Hose«: Die Berliner Linke-Abgeordnete Halina Wawzyniak hatte sich nach eigenen Angaben »bewußt in die letzte Reihe gesetzt« und war bei der Totenehrung sitzengeblieben. Andere waren gleich gar nicht erschienen.Die Agentur ddp erinnerte am Freitag daran, daß nicht alle Aktionen im Bundestag mit Ausschluß geahndet werden. So waren 2004 Orangen auf die Abgeordnetenbänke verteilt worden. Die Grünen hatten damals ihre Solidarität mit der prowestlichen Oppositionsbewegung in der Ukraine zum Ausdruck gebracht – ohne daß sie deswegen des Plenarsaales verwiesen wurden. Im Gegenteil, die Demonstration kam an: Selbst CDU-Chefin Angela Merkel hatte sich eine frische Südfrucht geschnappt.