Wie die Ahlulbayt Nachrichtenagentur ABNA berichtet, Zweifelsohne gehören die Parlamentswahlen zu den wichtigsten Ereignissen im Irak im vergangenen Jahr. Sie hätten im Juni 2021 stattfinden sollen, doch die irakische Regierung kündigte am 19. Januar eine Verschiebung auf den 10. Oktober an. Die Parlamentswahlen fanden nach einer wesentlichen Änderung der Wahlgesetze statt. Zuvor waren sie in 18 Provinzen abgehalten worden ohne dass klar war, wer die Kandidaten der verschiedenen Städte sind. Jedoch bei den Parlamentswahlen 2021 war jede Provinz in mehrere Wahlbezirke aufgeteilt worden. Von den insgesamt 83 Wahlbezirken fielen 32 auf die Provinzen mit schiitischer Bevölkerung, 17 auf die Provinz Bagdad, 22 auf Provinzen mit schiitischer und sunnitischer Bevölkerung und 12 auf die Kurdengebiete.
Während zuvor Wahllisten gewannen, waren es diesmal einzelne Personen. Außerdem wurden mindestens 83 Mandate für die Irakerinnen ins Auge gefasst und in jedem der 83 Wahlbezirke kandidierte mindestens eine Irakerin.
Die Teilnahme an den 5. Parlamentswahlen am 10. Oktober war niedrig. Gemäß Angaben des Wahlausschusses lag sie nur bei 41 Prozent. Von mehr als 21 Millionen Wahlberechtigten gingen nur 9 Millionen, 77 Tausend und 779 zu den Wahlurnen. Diese bisher niedrigste Wahlquote geht darauf zurück, dass die Bevölkerung mit der Wirtschaftslage unzufrieden ist und keine Hoffnung auf Verbesserung nach der Stimmenabgabe setzt.
Am 11. Oktober wurden die ersten Wahlergebnisse von der Wahlkommission verkündet. Muqtada Sadr, der Anführer der Sadr-Bewegung, der vorübergehend seinen Verzicht auf eine weitere Kandidatur erklärt hatte jedoch dann wieder kandidierte, konnte mit seiner Bewegung 73 Parlamentssitze gewinnen. Die al Taqadum-Partei unter Leitung von Al Halbusi gewann 37, die Rechtsstaat-Koalition von Nuri Maliki 34 und die Demokratische Partei Kurdistans 31 Sitze.
Wichtig war auch der Erfolg von weiblichen Kandidaten bei den irakischen Parlamentswahlen. Sie gewannen 97 Mandate und damit 14 mehr als die Mindestzahl von 83, die gemäß dem irakischen Wahlgesetz den Frauen zusteht. 57 der Kandidatinnen gewannen sogar mehr Stimmen als männliche Wahlkandidaten, was so gedeutet werden kann, dass die Bevölkerung aus Protest gegen das Vorgehen der Regierungen der letzten Jahre mehr Frauen gewählt hat.
Die Bekanntgabe der Wahlergebnisse der obersten Wahlkommission löste den Protest verschiedener Gruppen aus. Einige politische Gruppen im Lande, darunter die Al-Fath-Allianz vermuteten einen Wahlbetrug. Die Wahlkommission untersuchte ihre Beschwerde und gab schließlich am 30. November nach geringfügigen Änderungen des Ergebnisses bekannt, dass die Wahlen korrekt verlaufen seien.
Nach der Veröffentlichung dieses Wahlergebnisses hielten die Proteste an und das Oberste Bundesgericht sollte das Endergebnis der Wahlen überprüfen. Hadi Al Amari, der Vorsitzende der Al-Fath-Allianz legte sein Beweismaterial am 22. Dezember dem Gericht vor und erklärte, dass die oberste Wahlkommission 5 Millionen Wähler keine elektronische Wahlkarte ausgestellt hat so dass diesen die Wahlbeteiligung verwehrt wurde. Außerdem sei sehr vielen weiteren Bürgern wegen technischer Störungen eine Stimmabgabe nicht möglich gewesen. Das Unternehmen, welche den technischen Ablauf der Wahlen überwachte, habe zudem erklärt, dass ein Wahlbetrug und eine Fälschung der Stimmabgabe möglich wäre, ohne dass es jemand bemerkt.
Das hohe Bundesgericht veröffentlichte sein Urteil am 27. Dezember. Zum einen wurde darin zugegeben, dass ein Wahlbetrug möglich gewesen ist und es wurde gefordert, dass die Stimmenauszählung bei den nächsten Wahlen wieder von Hand und nicht elektronisch vorzunehmen ist und das zukünftige Parlament das Wahlgesetz verbessern müsse. In Wahrheit erkannte das Gericht die Behauptung eines Wahlbetruges nicht an. Die Forderung nach einer Ungültigkeitserklärung des Wahlergebnisses wurde abgelehnt, die Beschwerde der politischen Gruppen zurückgewiesen und das Wahlergebnis bestätigt.
Die politischen Gruppen reagierten angemessen, indem sie zwar weiter an einem Wahlbetrug festhielten, jedoch das Gerichtsurteil akzeptierten. Hadi Al Amari sagte allerdings, dass das Bundesgericht bei der Herausgabe dieses Urteils unter schwerem Druck gestanden habe. Nuri Al Maliki, Leiter der Rechtsstaat-Koalition, und Ammar al Hakim, Anführer der Nationalen Bewegung Al-Hikma sowie die demokratische Partei Kurdistans erklärten, dass sie das Gerichtsurteil respektieren. Dieses Verhalten der Anführer politischer Gruppen in Irak zeigt, dass sie keine Unruhen und Unsicherheit und Gewalt in diesem Land wünschen.
Nach Anerkennung des Gerichtsurteils begannen die Konsultationen zwischen den politischen Gruppen. Die ersten Monate des neuen Jahres werden für Irak wichtig sein, denn die politischen Gruppen in diesem Land müssen den Parlamentsvorsitzenden, den Staatspräsidenten und den neuen Premierminister vorstellen.
Ein wichtiges politisches Ereignis im Jahre 2021 war der historische Papstbesuch. Papst Franziskus kam in den Irak, während fast alle diplomatischen Reisen auf der Welt wegen der Corona-Krise abgesagt worden waren. Ein Grund für den Irakbesuch des Oberhauptes der Katholiken mag darin bestehen, dass bereits vorher Einladungen erfolgt waren, die Bedingungen für diese Reise jedoch nicht vorgelegen hatten. Die US-Zeitung New York Times schrieb: „Dieser Besuch war ein jahrelanger Wunsch des Vatikans gewesen. Papst Johannes Paul der Zweite hatte im Jahre 2000 den Irak besuchen wollen, aber die Reise war wegen zunehmender Konflikte in der Region annulliert worden. Papst Benedikt der 16. war ebenso eingeladen worden, aber konnte diese Reise wegen Krieg nicht antreten. Im Juli 2019 hatte der irakische Staatspräsident Barham Salih, Franziskus den Ersten eingeladen und gehofft, dass dieser Besuch nach jahrelangen Konflikten die Situation des Landes verbessern werde. Papst Franziskus akzeptierte die Einladung und erklärte, er wolle nicht die Bevölkerung von Irak, insbesondere den Leid erlittenen christlichen Bevölkerungsteil dieses Landes enttäuschen.
Ein weiterer Grund dafür, dass der Papst den Irak als Reiseziel auswählte, war also die christliche Gemeinde in diesem Land. Gegen Ende der Herrschaft des Saddam-Regimes lebten ungefähr anderthalb Millionen Christen im Irak. Aber in den letzten beiden Jahrzehnten ist diese Zahl auf ein Drittel zurückgegangen. Daher gehörten die Existenz der Christen im Irak und ebenso ihre unangemessene Lage, insbesondere in Folgen von Gewalt, zu den Hauptgründen für die Irakreise des Papstes. In Bagdad forderte Papst Franziskus die Iraker auf, die religiösen Minderheiten anzuerkennen und ihre christlichen Brüder als ein wertvolles Kapital zu betrachten.
Ein wichtiger Aspekt des Papstbesuches war das Treffen des Oberhauptes der Katholiken mit Ayatollah Sistani, der für die Schiiten im Irak als hohes Vorbild der Nachahmung gilt. Bei den Gesprächen anlässlich dieses Treffens wurden die ernsthafte Beachtung von Frieden und Menschenwürde, die Annäherung der Religionen, die Verhinderung von Gewalt und Benachteiligung aufgrund der Religion und der Kampf gegen Terrorismus unterstrichen.
Im vergangenen Jahr war Irak Zeuge mehrerer Ereignisse, die zeigten, dass in diesem Land noch immer die Sicherheit in Gefahr ist. Es gab mehrere Fälle Terroranschläge. Eines der wichtigen Ereignisse im Zusammenhang mit der Sicherheit in diesem Land war die Einwilligung der USA, seine Militärkräfte aus diesem Land zurückzuziehen. Mustafa Al Kadhimi, der irakische Premierminister, hat sich im vergangenen Juni während seiner Reise in die USA und dem Treffen mit US-Präsident Joe Biden über den Abzug aller amerikanischen Streitkräfte im Irak bis zum 31. Dezember 2021 geeinigt. Zugleich wurde jedoch vereinbart, dass eine Anzahl von US-Militärs zur Beratung und Ausbildung in diesem Land verbleiben.
Staatspräsident Barham Salih und Parlamentsvorsitzender Mohammad Al Halbusi unterstützten diese Vereinbarung. Auch die von Hadi al Amari angeführte Al-Fath Allianz begrüßte das Ergebnis der strategischen Gespräche zwischen den USA und Irak darunter die Vereinbarung über den vollständigen Abzug der Streitkräfte der USA bis Ende 2021 und sah darin einen Schritt in Richtung Verwirklichung der vollständigen nationalen Souveränität Iraks. Muqtada Sadr, Anführer der Sadr-Bewegung in Irak, begrüßte ebenso die Vereinbarung und bedankte sich bei Mustafa Al-Kadhimi.
Jedoch sagte Nasr Al Schammari, der Sprecher der Al-Nudschaba-Bewegung dem Nachrichtensender Al Mayadin gegenüber, es habe sich nicht viel an der Militärpräsenz der USA im Irak geändert. Der Irak sei nicht auf die US-Kräfte angewiesen. Daher erkläre die Al Nudschaba-Bewegung klar, dass sie die US-Kräfte, unter welcher Bezeichnung sie sich auch immer im Irak aufhalten, im Visier des Widerstandes stehen. Nasr Al Schammari sagte:
„Die Amerikaner ändern nur die Bezeichnung für ihre Anwesenheit im Irak, um die öffentliche Meinung zu täuschen. Was nützt die Umbenennung von „Besatzer“ in Militärberater? Die US-Militärs bleiben auf irakischem Boden. Was spielt es für eine Rolle, unter welcher Bezeichnung und unter welchem Vorwand die Militärpräsenz läuft?“
Die Verantwortlichen der irakischen Staatsordnung haben im Dezember 2021 den vollständigen Abzug der US-Streitkräfte aus ihrem Land bekanntgegeben. Premierminister Mustafa Al Kadhimi schrieb am 29.Dezember auf Twitter: „Die militärischen Aufträge der internationalen Allianzkräfte der USA im Land sind abgelaufen und alle ihre Armeekräfte und Militärausrüstung haben den Irak verlassen.“
Er fügte hinzu: „Aufgrund der Ergebnisse der strategischen Gespräche wurde die Rolle der alliierten Kräfte im Irak auf Beratung und Unterstützung beschränkt.“
Aber einige Widerstandsgruppen im Irak gaben bekannt, dass sie nicht mit einer Militärberatung der USA einverstanden sind. Die US-Militärkräfte seien noch anwesend und müssten den Irak komplett verlassen.
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