Die pakistanische Regierungskoalition hat eine neue Runde im Machtkampf mit Präsident Pervez Muscharraf eingeläutet. Sie will den Staatschef vor die Alternative stellen, entweder im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen oder gleich mit einem Amtsenthebungsverfahren rechnen zu müssen. Das verlautete am Donnerstag aus Kreisen der Volkspartei (PPP) und der Muslimliga (PML-N). Deren Vorsitzende - Asif Ali Zardari von der PPP und der von Muscharraf vor acht Jahren gestürzte ehemalige Ministerpräsident Nawaz Scharif von der PML-N - hätten sich auf dieses Vorgehen in zweitägigen Beratungen geeinigt.Seine politischen Gegner hatten einige Tage über eine gemeinsame Strategie beraten, wie sie den unpopulären früheren Armeechef, der 1999 durch einen Coup an die Macht gelangt war, aus dem Amt treiben könnten. Sie sprachen auch davon, ob jene sechzig Richter, die Muscharraf entlassen hatte, wieder eingesetzt werden sollten.Das wird das erste Mal sein, dass gegen einen amtierenden Präsidenten in Pakistan ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wird.Muscharraf und seine Anhänger bangen um ihre Zukunft. Deshalb hat Muscharraf seine Teilnahme an der Eröffnungszeremonie der olympischen Spiele in Peking abgesagt. Am Mittwochmorgen hieß es, Muscharraf habe den Flug in letzter Minute annulliert. Die Nachricht nährte Gerüchte, wonach ihm die Macht entgleite.Dennoch scheint es nun plötzlich, als fänden die beiden Volksparteien doch noch zueinander. Die PPP, angeführt von Asif Ali Zardari, dem Witwer Benazir Bhuttos, und die Muslimliga von Ex-Premier Nawaz Scharif bildeten nach ihrem Wahlsieg eine Regierungskoalition, wie man sie in Pakistan bis dahin nicht für möglich gehalten hatte. Bald kamen aber alte persönliche Zwistigkeiten zwischen den beiden großen politischen Dynastien hoch. Scharif zog seine Minister zurück, als er merkte, dass Zardari gar nicht daran interessiert war, die geschassten Richter schnell wieder einzusetzen.Nun gab Zardari bekannt, der Oberste Richter Pakistans, Iftikhar Chaudhry, Muscharrafs großer Gegenspieler, werde rehabilitiert. Und der wurde von Muscharraf berufen. Unklar ist aber, ob die Gegner des Präsidenten überhaupt über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügen. Die bräuchten sie, wenn sie Muscharraf mit einem Amtsenthebungsverfahren bedrängen wollten.Drei Alternativen sind möglich. Die erste Alternative ist, dass sich der pakistanische Präsident einem Amtsenthebungsverfahren beugt und sich in der pakistanischen Nationalversammlung verteidigt. Die zweite Alternative ist, dass der Präsident seinen politischen Gegnern zuvorkommt. Das heißt er würde das Parlament auflösen mit der Begründung, die Regierung sei unfähig, Terrorismus und Teuerung in den Griff zu bekommen.Und die 3. Alternative ist, dass Muscharraf zurücktritt, bevor in der Nationalversammlung das Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wird.Experten halten einen freiwilligen Rücktritt Muscharrafs für unmöglich. Deshalb wird sich der pakistanische Präsident entweder der Entscheidung der Regierung stellen, also sich mit der von der Regierung geforderten Vertrauensfrage zufrieden geben, oder von seinen Machtbefugnissen Gebrauch machen, und das Parlament auflösen und neue Wahlen anordnen.Wenn sich der Präsident für diese eben erwähnte letzte Alternative entscheidet, dann muss er mit heftigen Reaktionen aus dem In- und Ausland rechnen.
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Montag
15 Juni 2009
19:30:00
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