AhlolBayt News Agency (ABNA)

source : IQNA
Mittwoch

15 April 2020

04:29:07
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Corona und der Erlöser – ein Weckruf

Juden, Christen und Muslime glauben gemeinsam an das Erscheinen eines Erlösers, auf den zumindest die Gläubigen sehnsüchtig warten. Aber Corona könnte ein Beweis dafür sein, dass die Zeit für den muslimischen Erlöser Imam Mahdi (a.) noch nicht reif ist....Ein Beitrag von Yavuz Özoguz

Wie die Ahlulbayt Nachrichtenagentur ABNA berichtet, Ein Beitrag von Yavuz Özoguz

Der jüdische Rabbiner und Israels Gesundheitsminister Yaakov Litzman, der der orthodoxen Partei Vereinigtes Thora Judentum angehört, hatte vor Beginn des Pessach-Festes zuversichtlich gesagt: „Wir beten und hoffen, dass der Messias vor Pessach kommen wird, und damit die Zeit unserer Erlösung. Bald werden wir in Freiheit ausziehen. Der Messias wird kommen und uns von allen Problemen dieser Welt erlösen“ [1]. Das Pessach-Fest ist fast vorbei, der Erlöser ist nicht gekommen, aber dafür ist der Gesundheitsminister mit Corona infiziert [2]. Christen hoffen seit Jahrhunderten, dass Jesus bald wiederkommen möge. Und die Ostertage, die Tage der Widerauferstehung, sind geradezu prädestiniert für die Erlösung. Doch von Karfreitag bis Ostermontag ist nur die historisch einmalige Situation eingetreten, dass Christen nicht in ihre Kirchen konnten und der Papst ohne Gemeinde vor Kameras predigen musste. Aber Jesus (a.) ist bisher nicht erschienen.

Die wohl flexibelsten zeitlichen Möglichkeiten für das Erscheinen des erwarteten Erlösers namens Mahdi haben die Muslime. Je nach Überlieferung kann er fast in jeder Woche des Jahres erscheinen, nicht nur im Monat Ramadan oder zur Hadsch-Zeit. Auch der Geburtstag des Imam Mahdi, der gemäß Vorstellung der Schiiten unter Muslimen bereits vor weit mehr als einem Jahrtausend geboren wurde und zusammen mit Jesus in der Verborgenheit weilt, hätte solch ein symbolischer Tag der Rückkehr sein können. Jener Geburtstag lag dieses Jahr zusammen mit dem Pessach-Fest in der Karwoche. Doch auch Imam Mahdi (a.) ist nicht erschienen. Warum nicht?

Dies Frage stellen sich die Muslime – insbesondere die Anhänger Imam Husains (a.), die um das Tragödien-Epos von Kerbela trauern – seit zwölf Jahrhunderten. Dabei gibt genau jenes Epos die Antwort auf die Frage in aller Deutlichkeit. Damals war es die Bevölkerung der irakischen Stadt Kufa, welche mit Hunderten von Briefen Imam Husain (a.) zu sich eingeladen hatte. Sie litten unter der Tyrannei des damaligen Quasi-Pharaos namens Yazid. Seine Herrschaftsparole war „Omayyaden First“. Das Perfide an jenem Pharao bestand darin, dass er im Gewand von Frieden und Freiheit auftrat. Zwar hatte er fast alle Menschen in seinem Herrschaftsgebiet ihrer Menschenrechte beraubt, aber er trat auf als „Kalif“ des Islam, als Herrscher des Thrones (Corona), der den Menschen angeblich wahre Demut lehrte. Das Volk von Kufa konnte jene Unterdrückung nicht mehr ertragen und hatte hunderte von Briefen und Hilferufen verschickt: „Beschleunige die Erlösung“ (Adschil Faradschahum). Im damaligen YouTube wimmelte es nur von Kurzvideos, die um das baldige Erscheinen des Erlösers baten. Twitter und Facebook waren voll mit Hilferufen.

Imam Husain (a.) hatte sich auf den Weg gemacht und seinen Botschafter Muslim ibn Aqil vorausgeschickt. Er sollte die Bevölkerung von Kufa auf das Erscheinen des „Erlösers“ vorbereiten. Doch dann wurde das Volk von Kufa infiziert. Corona trat auf und löschte alle Twitter und Facebook-Einträge. Das nach Hilfe rufende Volk war plötzlich durchgehend krank. Eine ganze Reihe von Ärzten traten auf und erklärten dem Volk, dass sie nur dann genesen können, wenn sie den Abgesandten Imam Husains im Stich lassen. Sie müssten Muslim ibn Aqil ignorieren, dann könnten sie geheilt werden. Und so taten sie es. Das Volk von Kufa ließ Muslim ibn Aqil im Stich. Muslim ibn Aqil wurde von den Söldnern des damaligen Pharaos ermordet und Imam Husain (a.) ist nie in Kufa angekommen. Umsonst waren die Hilferufe! Alle Einträge in Facebook und Twitter waren nichtig, denn sie waren unwiederbringlich gelöscht. Die Leute hatten mehr Angst vor einer Infektion als vor Gott. Sie haben aus Sicherheitsgründen ihre Gebetsräume geschlossen, sie haben sich voneinander getrennt und nicht mehr getroffen. Jeder war für sich allein und die wenigen, die immer noch auf der Seite Muslim ibn Aqils standen, wurden ebenfalls ermordet.

Doch was hat das mit heute zu tun? Waren es nicht die engsten Vertrauten des erwarteten Erlösers, die uns zu Vorsichtsmaßnahmen aufgerufen haben? Waren es nicht Imam Chamenei und Sayyid Hassan, die vor Corona gewarnt haben?

Wie sehr muss man seine eigene jüngste Vergangenheit auf den Kopf stellen, um seine falschen Ängste zu rechtfertigen? War es wirklich Imam Chamenei, der Qum isoliert und das Freitagsgebet abgesagt hat? Oder war es nicht eher so, dass der Iran sehr wenige Infektionen gemeldet hat und erst aufgrund des unglaublichen medialen Drucks aus dem Westen im Land eine Art Panik ausgebrochen ist? War es nicht so, dass viele Iraner den westlichen Medien bezüglich der von denen „geschätzten“ Infektionszahlen mehr geglaubt haben als den offiziellen iranischen Stellen? Ist es nicht heute noch so, dass viele sich revolutionär wähnende Schiiten den westlichen Zahlen für Iran mehr glauben schenken als den staatlichen Zahlen des Iran? Yazid hat ganze Arbeit geleistet! Und ist wirklich Imam Chamenei schuld daran, dass wir nur noch über Corona sprechen und an nichts anderes denken? Was ist mit Jemen? Was ist mit Palästina? Was ist mit Afghanistan und dem neuerlichen US-Betrug? Was ist mit dem Irak und den US-Truppen, die in den letzten Wochen nichts Gutes vorbereitet haben? Was ist mit den 30.000 jeden Tag an Hunger sterbenden Menschen, zumeist Kinder? Es sind unschuldige Menschen, die uns eines Tages fragen, warum wir uns mit Corona beschäftigt und sie völlig vergessen haben?

Ja, aber wir sind doch Anhänger Imam Chameneis! Wenn er sagen würde, dass wir uns jenen anderen Themen zuwenden sollten, dann würden wir es doch tun! Wirklich? Würden wir uns wirklich jenen anderen Themen zuwenden, wenn Imam Chamenei uns dazu auffordern würde? Oder würden nicht viele dann behaupten, dass Imam Chamenei die Lage verharmlost? Folgen wir wirklich Imam Chamenei? Verstehen wir wirklich, dass Muslim ibn Aqil voll und ganz und ohne Schwäche unterstützt werden muss gegen die Schergen des Yazid, selbst wenn sie Corona heißen, damit Imam Mahdi bald kommen mag? Hören wir denn die Reden Imam Chameneis? Welchen zeitlichen und inhaltlichen Rang nimmt Corona in seinen Reden ein? Ist es das dominante Thema? Lesen wir wirklich, was er sagt? Wie oft hat er uns auf die wahren Probleme der Welt hingewiesen? Haben wir das gelesen oder haben wir nur nach den Zeilen mit Corona gesucht?

Haben wir seine letzte Rede gelesen? Sie war doch im Englischen und im Deutschen lesbar, zumindest die entscheidenden Teile. Haben wir folgenden Satz gelesen?

„Das Coronavirus ist ein schwerwiegendes Problem und eine gefährliche Krankheit für die Menschheit, aber dieser Vorfall sollte uns nicht dazu veranlassen, andere wichtige Probleme und Ereignisse in der Welt zu ignorieren. Denn in den letzten Jahren sahen sich die Welt und unser Land mit größeren Problemen und Ereignissen konfrontiert.“ [3]

Wie soll Imam Chamenei es denn noch ausdrücken? „…in den letzten Jahren sahen sich die Welt und unser Land mit größeren Problemen und Ereignissen konfrontiert.“ Welches Problem der letzten Jahre hat uns derart beherrscht? Welche Probleme der letzten Jahre hat unser Leben so auf den Kopf gestellt, dass wir jegliches vernünftiges Denken abgestellt haben? Die anonymen Schweizer Ärzte, die ihr deutschsprachiges Publikum in regelmäßigen Abständen mit fundierten Informationen zu der aktuellen Krise versuchen aufzuwecken, haben mehr Mut als wir Muslime [4]. Die mutige Anwältin [5] und der mutige Arzt [6], die Aufgrund ihres Widerstandes in die Psychiatrie zwangseingewiesen worden sind, haben möglicherweise eine größere Nähe zu Imam Husain (a.), als wir, die wir um ihn weinen. Ein berühmter deutscher Widerstandssänger zusammen mit seinen Gästen, die sich während der Corona-Krise gegen die Waffenindustrie wenden, setzen mehr Signale für die Befreiung der Menschheit als alle Muslime zusammen in Deutschland [7].

Imam Chamenei hat nach seinem Satz „…in den letzten Jahren sahen sich die Welt und unser Land mit größeren Problemen und Ereignissen konfrontiert“ ein Beispiel genannt, über das er wohl mindestens ein Jahrzehnt nicht mehr gesprochen hat, nämlich dem Chemiewaffenangriff Saddams auf die Stadt Halabdscha. Imam Chamenei sagte dazu: „Damals versorgten einige der Länder, die große Ansprüche an Zivilisation und Fortschritt stellen, Saddam mit Chemiewaffen. Bis heute hat keiner von ihnen eine Antwort auf die damals begangenen Verbrechen gegeben.“

Haben wir uns jemals die Frage gestellt, warum Imam Chamenei ausgerechnet in der Corona-Krise darauf hinweist, dass wir schwerere Tage hinter uns haben und als erstes Beispiel den Chemiewaffeneinsatz Saddams zusammen mit der Westlichen Welt gegen Halabdscha erwähnt? Der Angriff war fürchterlich. Aber es waren „nur“ knapp 5000 Menschen, die direkt oder an den Folgen verstorben sind. Wann geschah jener Angriff? Er geschah, als die Islamische Republik Iran im Jahr 1988 zunehmend Oberhand gewann und kurz davor stand einem Krieg zu gewinnen, den die gesamte Welt gegen die Islamische Republik Iran geführt hat. Und wann erfolgte die unglaubliche Corona-Krise: Als die Anhänger der Islamischen Befreiungstheologie sowohl in Syrien als auch im Jemen dabei waren, den Krieg zu gewinnen und die USA sowie ihre Söldner zu verjagen. Imam Chamenei behauptet nicht, dass Corona eine Chemiewaffe oder biologische Kriegführung sein könnte, selbst wenn er es nicht ausschließt. Aber er versucht den Blick der Muslime auf die Dinge zu lenken, die wichtiger sind als die Schockstarre, in die fast alle Gemeinden der Muslime geraten sind.

Die Überschrift zum Vortragstext auf der offiziellen Seite des Revolutionsoberhauptes lautet: „Die Unterdrückung arroganter Mächte sollte nicht durch Viren vernachlässigt werden“ [8]. Die Anhänger des Pharaos haben Imam Chameneis Worte gut verstanden. So schreibt „al-Arabiya“ als Überschrift zur Rede: „Es gibt weltweit größere Probleme als das Coronavirus“ [9]. Al-Arabiya gehört dem Saudischen Medienkonzern MBC an. Wann aber werden die Anhänger Imam Chameneis es verstehen?

Aktuell behandeln wir Imam Chamenei nicht einmal so, wie die alte gebrechliche Witwe in Kufa Muslim ibn Aqil behandelt und ihm Asyl gewährt hat. Unter diesen Umständen kommt weder Imam Husain (a.) nach Kufa noch Imam Mahdi (a.) zu uns. Im Gegensatz zu den damaligen Bewohnern von Kufa können wir aber unser Verhalten noch korrigieren für uns und alle folgenden Generationen – so Gott will.

[1] https://www.boell.de/de/2020/04/01/coron...-fuer-netanjahu
[2] https://www.juedische-allgemeine.de/isra...orona-getestet/
[3] https://offenkundiges.de/die-beschlagnah...beralen-kultur/
[4] https://swprs.org/covid-19-hinweis-ii/
[5] https://www.youtube.com/watch?v=0u9SmMf1BXI&feature=youtu.be
https://www.heidelberg24.de/heidelberg/c...g-13640822.html
[6] https://www.nau.ch/news/polizeimeldungen...g-fest-65692735
[7] Siehe Minute 38 bis 47 in: https://www.youtube.com/watch?time_conti...eature=emb_logo
[8] https://www.leader.ir/en/content/24418/T...y-of-Imam-Mahdi
[9] https://english.alarabiya.net/en/News/mi...Iran-s-Khamenei


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