AhlolBayt News Agency (ABNA)

source : IQNA
Sonntag

5 April 2020

05:20:45
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Tausende Tote: Warum sterben so viele Amerikaner an Corona?

Fast 200 000 Covid-19-Erkrankte und über 4000 Todesopfer – die Epidemie ist in den USA trotz der Beteuerungen des Präsidenten Donald Trump außer Kontrolle geraten. Die Behörden scheinen nicht imstande zu sein, die Verbreitung der Infektion zu stoppen.

Wie die Ahlulbayt Nachrichtenagentur ABNA berichtet, Fast 200 000 Covid-19-Erkrankte und über 4000 Todesopfer – die Epidemie ist in den USA trotz der Beteuerungen des Präsidenten Donald Trump außer Kontrolle geraten. Die Behörden scheinen nicht imstande zu sein, die Verbreitung der Infektion zu stoppen.

Ist das Gesundheitssystem in den Vereinigten Staaten auf die Behandlung von Hunderttausenden Patienten nicht vorbereitet? Warum die stärkste Wirtschaft der Welt dabei Schwierigkeiten empfindet, dem Coronavirus den nötigen Widerstand zu leisten, lesen Sie in diesem Beitrag.


Alles unter Kontrolle

Die Amerikaner waren schon immer die ersten, wenn es um Bekämpfung von globalen Epidemien ging. Die USA wurden auch von den Ausbrüchen von SARS, Ebola oder Zika in den vergangenen Jahren getroffen, aber diese gefährdeten nie ihre nationale Sicherheit. Wie der einstige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen einmal sagte, ist Amerika von „freundlichen Nachbarn und Fischen“ umgeben, nämlich von Kanada und Mexiko und von zwei Ozeanen. Gegen reale Feinde mussten die Amerikaner schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr kämpfen. Doch jetzt, wenn die Gefahr sich innerhalb des Landes ausbreitet, ist man in Washington arg in Verlegenheit geraten.

Der Sinneswandel bei Präsident Trump kam rasant – genauso wie sich die Epidemie verbreitet. Seit dem 22. Januar, als der erste an Covid-19 erkrankte Patient registriert wurde, und bis Mitte März, als „nur“ weniger als 100 Menschen daran gestorben waren, behauptete Trump, die Situation wäre unter Kontrolle, das Risiko der Infektionsverbreitung wäre gering, die Virusverbreitung würde bald nachlassen – sobald das Wetter wärmer wird.

Aber dannerklärte er: „Das ist eine Pandemie. Ich wusste, dass das eine Pandemie ist – schon lange vorher. Aber wir mussten uns die Situation in anderen Ländern ansehen.“

Mittlerweile stehen die USA mit fast 200 000 auf dem ersten Platz weltweit nach der Zahl der Coronavirus-Kranken. Mehr als 4000 Menschen sind an der Lungenkrankheit gestorben. New York ist quasi das Epizentrum der Seuche, und die Behörden haben binnen weniger Tage die Kontrolle über die Lage verloren.


Der Preis des Zögerns

Nach Einschätzung einiger amerikanischer Experten hat Washington sechs Wochen vergeudet. Man hätte Coronavirus-Tests, Schutzmasken, Schutzanzüge für Ärzte, Atemmasken anschaffen können. Doch das wurde nicht getan.

Selbst jetzt weigern sich die Behörden, den kritischen Mangel an medizinischer Ausrüstung anzuerkennen. Als der Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo, sagte, die Region brauche mindestens 30 000 Atemmasken, glaubte Trump ihm nicht: „Ich habe den Eindruck, dass viele Zahlen, die genannt werden, überzogen sind. Ich bezweifle, dass Sie 40 000 oder 30 000 Atemmasken brauchen.“ Das war in der vorigen Woche, als auf den Bundesstaat New York fünf Prozent aller Covid-19-Kranken weltweit entfielen.

Allerdings trägt Präsident Trump nicht allein die Schuld für die Situation, auch wenn er auf die zunehmend größere Gefahr nur langsam reagierte.

„Das ist auch ein Versäumnis der Administrationen von Barack Obama und George W. Bush“, sagte der Amerikaner Jacob Blass gegenüber RIA Novosti, der 20 Jahre lang in Non-Profit-Organisationen auf dem Gebiet Gesundheitswesen arbeitete. „Experten warnten schon damals: Sollte etwas passieren, würde weder das eine noch das andere Team eine solche Seuche in den Griff bekommen.“

Aber auch der aktuelle Bewohner des Weißen Hauses habe eine weitere Verschlechterung der Lage zugelassen, zeigte sich Blass überzeugt. Denn 2018 sei das unter Obama gebildete „Team zur Bekämpfung von Pandemien“ abgeschafft worden. Trump habe geglaubt, im Ernstfall problemlos neue Mitarbeiter anzustellen.

Die Chance auf eine Minimierung der Folgen der Coronavirus-Seuche sei versäumt worden, zeigt sich auch die Pathologin Margaret Johnson aus North Carolina überzeugt. „Vorbeugung einer Pandemie ist die Pflicht nicht des Gesundheitssystems, sondern der Regierungsstrukturen, unter anderem des Zentrums für Kontrolle und Prophylaxe von Krankheiten. Aber die Behörden haben viel zu langsam gehandelt. Trump wollte Experten kein Gehör schenken, kippte Programme, mit denen die Seuchenverbreitung in China hätte überwacht werden können, um die Seuche auch in den USA zu verhindern“, betonte sie.


Jeder stirbt für sich allein

Zu einem weiteren negativen Faktor wurde die Spaltung der US-amerikanischen Gesellschaft, und zwar nicht nur im politischen Aspekt, sondern auch in Bezug auf das Gesundheitswesen.

„Der Hauptgrund der Krise ist, dass es kein einheitliches Gesundheitssystem gibt“, sagt Jacob Blass weiter. „Die absolut meisten Krankenhäuser in den USA sind privat und hängen weder vom Staat noch voneinander ab. Es gibt größere Ketten von Kliniken, es gibt kleine lokale Krankenhäuser. Aber wenn es überall an Betten, Anlagen und Schutzmitteln mangelt, kämpfen medizinische Einrichtungen nur für sich selbst und versuchen, den Mangel aus eigener Kraft zu beseitigen. Im Grunde wäre es nicht übertrieben, zu sagen, dass alle Krankenhäuser dieselben Fabriken anrufen und dort fehlende Beatmungsgeräte, Schutzmasken, Arztkittel und Tests bestellen.“

Dr. Johnson verwies darauf, dass manche Krankenhäuser sehr klein seien und keine Möglichkeit haben, Lieferanten direkt zu erreichen. Wegen Geldmangels müssen sie einfach schließen. „Sie haben einfach kein Geld, um zu arbeiten, wenn alle Patienten nur alte und arme Menschen sind“, betonte sie.

Von Trump hatte man ihr zufolge erwartet, dass er das Gesetz „Über Verteidigungsindustrie“ einsetzen würde – dann hätte man die Produktion von benötigten Anlagen für Krankenhäuser im „Kriegszeiten-Modus“ ausbauen können.

Ende März forderten mehr als 100 ehemalige Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrats den Staatschef auf, das endlich zu tun. Die Antwort kam einige Tage später: Trump verpflichtete General Motors, mehr Beatmungsgeräte zu bauen. Aber laut Quellen hat der Konzern nie eine offizielle Verfügung im Sinne des besagten Gesetzes bekommen.


Medizin nicht für alle

Noch eine „Schwachstelle“ des Gesundheitswesens, um die es permanent politische Debatten gibt, ist das Versicherungssystem. „Vielen Menschen ist der Zugang zur Medizin verwehrt – die Pandemie hat das nur ans Licht gebracht“, fuhr Dr. Johnson fort.

Amerikaner lassen sich in diesem Sinne in drei Kategorien aufteilen. Der ersten gehören wohlhabende Bürger an, die sich Krankenversicherungen kaufen. Der Preis hängt von vielen Faktoren ab: dem Bundesstaat, dessen Gesetzen, der Arbeitsstelle der jeweiligen Person, ihrem Einkommen. Eine solche Krankenversicherung kostet im Durchschnitt 440 Dollar monatlich pro Person und 1168 Dollar pro Familie.

Dabei bezahlt der Kunde die ärztliche Hilfe aus eigener Tasche und bekommt erst später die entsprechende Entschädigung. Aber nicht alle sind in der Lage, im Falle einer wirklich schlimmen Krankheit so viel Geld aus der eigenen Tasche zu bezahlen. Zudem erstattet die Versicherungsfirma nur etwa 80 Prozent der Ausgaben.

Die zweite Kategorie der Bevölkerung sind arme Menschen. Sie dürfen mit der staatlichen Krankenversicherung Medicaid rechnen. Auf diese Weise bekommen Millionen Amerikaner kostenlose bzw. preisgünstige Krankenversorgung. Dieses Programm hat eigene Kriterien: Es werden das Einkommen der versicherten Person, die Anzahl der Familienmitglieder und der Wohnort berücksichtigt. Manche Bundesstaaten haben angesichts der Pandemie bereits erklärt, dass Medicaid weiterhin wie bisher funktionieren werde. Am anfälligsten sind 27,5 Millionen Amerikaner, die überhaupt keine Krankenversicherung haben. Mit anderen Worten: 8,5 Prozent der US-Bürger haben keine Chance auf eine Krankenversorgung. Natürlich können sie selbst in ein Krankenhaus kommen, aber dort müssen sie warten, bis sie neben vielen anderen Patienten behandelt werden – da kann ihnen aber niemand etwas garantieren.

„Unsere Krankenhäuser arbeiten für Geld – man kann dort nicht einfach hinkommen und sagen, man habe Gesundheitsprobleme“, erläuterte Jacob Blass. „Und in Notaufnahmen gibt es keine Quarantäne-Räume, keine Schutzmittel oder sonst etwas. Und es ist unklar, wer das bezahlen wird.“

Gerade für diese Bevölkerungskategorie war übrigens die Reform des Gesundheitswesens bestimmt, die als „Obamacare“ bekannt wurde. Es hätten bis 95 Prozent der Amerikaner eine Krankenversicherung bekommen sollen. 2010 wurde die Reform vom US-Kongress gebilligt, aber es wurde lange über ihre Übereinstimmung mit der Verfassung gestritten, denn die Haushaltsausgaben wären in diesem Fall enorm groß.

Als Donald Trump ins Weiße Haus einzog, leitete er die Abschaffung des „Obamacare“-Programms ein. Im Dezember 2018 erkannte das Bundesgericht der Stadt Fort Worth das Programm als verfassungswidrig an.

Außerdem gibt es in den USA zahlungsfähige Bürger im Alter ab 65 Jahren. Für sie ist die staatliche Krankenversicherung bestimmt, die etwa 250 Dollar pro Monat kostet – diese Summe wird von der Rente abgezogen. Aber sie deckt nur einen Teil aller Ausgaben ab. Ältere Amerikaner können auch ein Zusatzpaket (für etwa 100 Dollar) kaufen, um eventuell jegliche Behandlung kostenlos zu bekommen. Das haben die von RIA Novosti interviewten Personen getan. „Ich habe eine hervorragende Krankenversicherung und kann mich nicht darüber beschweren“, gab Margaret Johnson zu. „Ich zahle jeden Monat zusätzlich 120 Dollar. In den letzten Jahren musste ich zwei Mal an einem Arm, zwei Mal an den Augen und einmal am Herzen operiert werden“, sagte seinerseits Jacob Blass.

„Allein die letzte Operation hätte mich mehr als 50 000 Dollar gekostet, aber ich habe keinen Cent dafür bezahlt. Ich habe drei Tage im Krankenhaus kostenlos verbracht, was mich andernfalls 3000 bis 5000 Dollar gekostet hätte.“ Zudem hat er nach seinen Worten ein zusätzliches Versicherungspaket für 30 Dollar monatlich, „so dass meine Ausgaben für Medikamente kompensiert werden“.

Sowohl Blass als auch Johnson zeigten sich überzeugt: Sie haben viel mehr Glück als viele andere Amerikaner: Für 350 Dollar pro Monat müsse man sich keine Sorgen um die Kosten der medizinischen Behandlung machen. Aber was machen denn Millionen andere Amerikaner, die sich nicht einmal die Basisversicherung leisten können? Das wissen weder sie selbst noch die US-Regierung.



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